Meyerson hatte in früher Jugend Walden von Henry David Thoreau, gelesen. Es hat ihn begeistert. Viele Jahre später fand er im Fundus seiner Großeltern das gleiche Buch im anderen Umschlag. Dies war eine große Freude für Meyerson.
Hier ein Auszug aus dem Buch von Thoreau, * 12. Juli 1817 in Concord, † 6. Mai 1862.
Ich muß mich zuweilen darüber verwundern, daß wir so leichtfertig sein können, uns über die rohe, aber doch uns fernliegende Form der Versklavung, genannt Neger-Sklaverei, aufzuhalten, wo es doch so viele scharfsinnige und durchtriebene Meister gibt, sowohl den Norden wie den Süden zu versklaven. Einen Aufseher aus dem Süden über sich zu haben, ist hart; einen aus dem Norden über sich zu wissen, ist schlimmer; das schlimmste aber ist, sein eigener Sklaventreiber zu sein. Da redet man von etwas Göttlichem im Menschen! Seht den Fuhrmann auf der Landstraße bei Tag und bei Nacht zu Markte fahren! Was regt sich Göttliches in ihm? Er kennt keine höhere Pflicht als die, seine Pferde zu füttern und zu tränken! Was ist ihm sein Schicksal, im Vergleich mit dem Erlös aus seiner Heufracht! Fährt er nicht im Auftrag von Herrn Tu-dich-um? Inwiefern ist er göttlich oder unsterblich? Wie er sich bückt und umherschleicht, den ganzen Tag wie in einer unbestimmten Angst, nicht göttlich oder unsterblich, sondern der Sklave und der Gefangene seiner Meinung von sich selbst, des Abbilds seiner Taten!
Ja, es war dieser Mai 2013. Meyerson hatte nun endlich seinen Niedergang realisiert und Konsequenzen gezogen. Bisher war es eigentlich bei ihm immer bergauf gegangen. Seinem frühen jugendlichen Protest treu geblieben sich bestimmten Funktionen und Bedürfnissen dieser Gesellschaft nicht kompatibel zu ergeben, hat er sich von seinen frühen Hilfsjobs über eine kreative Selbstständigkeit seinen Lebensunterhalt ganz gut erarbeiten können. Die Relation Arbeitseinsatz-Entlohnung stimmte noch. Er konnte sich in Berlin Kreuzberg ein Loft mit Dachterasse in einem Kulturdenkmal einer alten Brauerei aus der vorletzten Jahrhundertwende leisten. Dies natürlich nur zur Miete (1300,- € warm), aber er fühlte sich hier wohl. Hier war nun seine Heimat.
Kreuzberg, früher gemieden von Leuten mit Geld, weil es ja so weit ab von aller Zentrierung irgendwelcher Gelüste gewesen war und es noch den Aktienmarkt gegeben hat, wo man erfolgreich zocken konnte, war die Domaine der Kreativen. – Und Kreative wollen kein Geld verdienen, sie wollen Bewegung installieren, für sich Selbst und alle anderen. Deswegen war Meyerson auch 1992 nach Berlin gegangen. Er hatte viele Jahre im Prenzlauer Berg in einer Fabriketage gelebt. 160 qm für 2,- € den Quadratmeter. Hier gab es noch Einschusslöcher vom letzten Krieg aber Meyerson konnte in seiner Etage Wände einreißen oder auch neu bauen. Er konnte hier arbeiten und frei leben ohne 45% seines Einkommens an Miete zu zahlen. Die Miete wurde dann im Prenzlauer Berg unvergleichsmäßig erhöht, um eigentlich die Mieter heraus zu bekommen. 2003 sind die Etagen nach der Renovierung verkauft worden. Einmal an Wolfgang Joop und einmal an Tom Tykwer. Ja, hier konnte Meyerson nicht mithalten. 2013 wird schon wieder verkauft. Die dritte Etage, hier hatten zu seiner Zeit noch Tischler gearbeitet (Berlin war berühmt für seinen Mix von Gewerbe und Wohnen), hier wurden zahlreiche Partys gefeiert. Nun wird die Etage zu einem Preis von 990.000 € angeboten. Ich frage mich, welche Art von Mensch zieht hier ein und wie alleine ist jemand, der so viel Geld hat?
Die gleiche Etage vor der Modernisierung und vor dem Zuzug des Geldadel im Zeitalter des Feudalismus 2.0.
Meyerson allemal zog schon 2003 wieder nach Kreuzberg. Hier zahlte er für das Objekt seiner Begierde nun zwar 8,- € den Quadratmeter, sündhaft teuer in Berlin zur damaligen Zeit, aber er hatte sich in die alte Bausubstanz der Brauerei verliebt und er verdiente mit seiner eigenen Arbeit den Mitzins. Er war auf der Gewinner Seite. Aber es kam dann das Jahr 2013. Finanzielle Einnahmensverluste, die Auswüchse der allgemeinen Krise seit 2008, ließen Meyerson die Miete nicht mehr leisten können. Eigentlich war er immer besser und effizienter in seiner Arbeit geworden, er hatte mehr Ausstoß an Ideen und erarbeitete sich auch immer bessere Vertriebsstrukturen, trotz alledem, die Forderungen Dritter, sei es Finanzamt, Krankenkasse, betriebliche Versicherungen oder die Verteuerungen von Rohstoffen, von Hardware, von Providern, es war nicht mehr tragbar. Es war zuviel. Die Forderung der Eigentümer seiner Wohnung, diese über seine Miete in 20 Jahren zu finanzieren, war nicht mehr erfüllbar.
Die Miete war 43,- € am Tag. Für diesen Preis kann man mit http://airbnb.com in aller Welt schöne Unterkünfte buchen. Also entschloss Meyerson sich auf die Reise zu gehen. Diese Reise soll nun in Beiträgen auf dieser Site in lockeren Abständen verfolgt werden.
Das einfache Leben in der Kastanienallee 75 im Prenzlauer Berg in Berlin um die letzte Jahrtausendwende.
Wie oben schon erwähnt, wohnte Meyerson für 2,00 € den Quadratmeter in Berlin. Er hatte ein Loft, wußte dies aber gar nicht, weil er diesen Begriff nicht kannte. Er selbst wußte, er hatte einfach große Räume in einer typischen Berliner 3. Hof Gewerbeeinheit. Es war einfach aber geräumig und man konnte hier machen, was man wollte, Wände einreißen, neue Wände bauen usw. usf. Diesen Freiraum der Geschichte gab es, da das Kapital hier zu jener Zeit noch nicht seine zu melkenden Kühe positioniert hatte. Wunderbar. Bei seinem Einzug 1993 gab es im Umfeld noch keine Neon Reklame und nur kleine Autos. Meyerson genoss das Leben, er hatte hier Platz zum experementieren, er hatte Geld, um zu reisen und konsumierte alte Musik Instrumente, Bücher, Foto Aquickment und einen Computer. Er beschäftigte sich mit Dingen aus dem Cyberspace, Dinge die dann erst viel später über Plattform Kapitalisten monetarisiert wurden. Diese Zeit ohne existentiellen Druck haben Meyerson reifen und seinen Blick für ein demokratische Simulation reifen lassen.